Neueinstellung trotz Kurzarbeit

Neueinstellung trotz Kurzarbeit ?

Angesichts der erneuten Verschärfung der Corona-Krise in Deutschland stellt sich nunmehr die Frage: Neueinstellung trotz Kurzarbeit, ist das möglich?

 

Viele Unternehmen werden voraussichtlich bis weit in das Jahr 2021 hinein von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch machen.

 

Neben der Frage, nach dem Verhältnis von Kurzarbeit und betriebsbedingten Kündigungen von Arbeitsverhältnissen im Falle einer nachhaltigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, stellt sich in vielen Personalabteilungen zunehmend die Frage, ob Arbeitgeber berechtigt sind, neue Mitarbeiter einzustellen, während sich zumindest Teile des Betriebs in Kurzarbeit befinden.

 

Für neu eingestellte Arbeitnehmer sieht das Gesetz in § 98 Abs. 1 Nr. 1 lit. b SGB III die Regelung vor, dass dieser Arbeitnehmer nur dann die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllt, wenn er seine Tätigkeit während einer bestehenden Kurzarbeit aus zwingenden Gründen aufnimmt.

 

Die Frage, was in diesem Fall unter „zwingenden Gründen“ zu verstehen ist, ist bisher weder durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte, noch durch die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit konkretisiert worden.

 

Der Fall dürfte aber ohnehin von geringer praktischer Bedeutung sein, denn kaum ein Arbeitgeber wird einen Arbeitnehmer einstellen und den Mitarbeiter im unmittelbaren Anschluss in Kurzarbeit schicken.

 

Von Interesse sind hingegen diejenigen Fälle, in denen Teile der Belegschaft nach wie vor in Kurzarbeit sind, während andere Abteilung desselben Betriebes oder Unternehmens bereits zum Normalbetrieb zurückgekehrt sind und über zusätzlichen Personalbedarf verfügen.

 

Stellt der Arbeitgeber in dieser Situation neue Bearbeiter ein, begibt er sich in die latente Gefahr, hinsichtlich der nicht beschäftigten Mitarbeiter seinen Anspruch auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes gegen die Bundesagentur für Arbeit zu verlieren.

 

Grundvoraussetzung für die Anordnung von Kurzarbeit ist das Vorliegen eines „erheblichen Arbeitsausfalls“.

 

Stellt der Arbeitgeber neue Mitarbeiter ein, kann dies unter Umständen als Indiz gedeutet werden, dass ein erheblicher Arbeitsausfall im Unternehmen nicht mehr besteht.

 

Entsteht im Unternehmen zusätzliche Arbeitsbedarf, ist der Arbeitgeber gehalten, diesen Arbeitsbedarf vorrangig durch Mitarbeiter zu decken, die sich bis zu diesem Zeitpunkt in Kurzarbeit befinden.

 

Die Einstellung neuer Mitarbeiter ist in dieser Situation also nur dann durch sachliche Gründe gerechtfertigt, wenn die Aufgaben des neu eingestellten Arbeitnehmers tatsächlich (Qualifikation) und rechtlich (Inhalt des Arbeitsvertrages) nicht durch Mitarbeiter, die sich gegenwärtig in Kurzarbeit befinden, erbracht werden können.

 

Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Neueinstellung birgt für den Arbeitgeber daher ein immenses Risiko. Denn die Gewährung des Kurzarbeitergeldes über die Bundesagentur für Arbeit erfolgt unter dem Vorbehalt einer umfassenden Abschlussprüfung.

 

Kommt die Bundesagentur für Arbeit angesichts der aktuellen Situation womöglich erst in einigen Jahren zu dem Ergebnis, der Arbeitsbedarf hätte durch interne Mitarbeiter gedeckt werden können, sieht sich der Arbeitgeber unter Umständen einer beträchtlichen Rückforderung und einer nicht zu unterschätzenden Beweisnot ausgesetzt.

 

Darüber hinaus sind einige örtliche Arbeitsagenturen der Auffassung, die Einstellung neuer Mitarbeiter während der Kurzarbeit sei grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig. Zwar findet diese Rechtsauffassung keine Stütze im Gesetz oder den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit, im Sinne der Rechtssicherheit ist jedoch dringend zu empfehlen, die Zulässigkeit der Einstellung neuer Mitarbeiter während der Kurzarbeit im Vorfeld mit der Bundesagentur für Arbeit abzuklären.

 

In jedem Fall müssen die sachlichen Gründe für die Neueinstellung (insbesondere Aufgaben des neu eingestellten Mitarbeiters, erforderliche Qualifikation, derzeitige Auftragslage, betriebliche Notwendigkeit der Aufgaben, Qualifikation der sich in Kurzarbeit befindenden Mitarbeiter) jedoch umfassend durch den Arbeitgeber dokumentiert werden, um im Falle einer möglicherweise erst Jahre später erfolgenden Prüfung plausibel darlegen zu können, warum die Einstellung sachlich gerechtfertigt war.

 

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