Freistellung nach einer fristlosen Kündigung

Freistellung nach einer fristlosen Kündigung

Wird das Arbeitsverhältnis im Wege der ordentlichen Kündigung oder durch Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages beendet, wird der Arbeitnehmer häufig für den Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Kündigung (bzw. dem Abschluss des Aufhebungsvertrages) und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Verrechnung seiner verbleibenden Urlaubsansprüche freigestellt.

Für den Arbeitgeber hat ein solches Vorgehen den Vorteil, dass der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keinen zusätzlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen kann.

Der Arbeitnehmer hat hingegen die Möglichkeit, sich in Ruhe nach einer neuen Beschäftigung umzusehen oder sich auf die Aufnahme der neuen Tätigkeit vorzubereiten.

Zudem dient die Freistellung in vielen Fällen dem Zweck, eine weitere Konfrontation am Arbeitsplatz zu vermeiden. Aus diesem Grund ist die Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im Arbeitsrecht ein beliebtes Gestaltungsmittel.

Erhebt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer den Vorwurf einer schweren Pflichtverletzung, wird der Arbeitgeber in vielen Fällen eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären. Sind die Voraussetzungen des § 626 BGB erfüllt, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages, an dem die fristlose Kündigung zugegangen ist.

Angesichts der strengen Prüfung durch die Gerichte hat es sich insofern inzwischen eingebürgert, dass der Arbeitgeber neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung regelmäßig auch eine hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Ablauf der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist) erklärt.

Ob auch in einer solchen Situation eine (hilfsweise) Freistellung unter Verrechnung verbleibender Urlaubsansprüche zulässig ist, war bisher nicht geklärt. Gegen ein solches Vorgehen ließ sich anführen, dass der Arbeitgeber durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung zum Ausdruck bringe, das Arbeitsverhältnis sei mit sofortiger Wirkung beendet worden, sodass eine Arbeitsverpflichtung, von der der Arbeitnehmer freigestellt werden könnte, nicht mehr bestehe.

Mit seinem Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 616/19 hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr entschieden, dass eine Freistellung des Arbeitnehmers unter Verrechnung von Urlaubsansprüchen auch im Falle einer neben einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ausgesprochenen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. September 2017 außerordentlich fristlos, sowie hilfsweise ordentlich zum 30. November 2017, gekündigt.

Zudem teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, er habe infolge der fristlosen Kündigung ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.338,88 EUR.

Für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung keine Rechtswirkung entfalte, werde der Arbeitnehmer für einen näher bezeichneten Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist freigestellt.

Der genannte Betrag sei in diesem Fall als Urlaubsentgelt zu betrachten. Jedenfalls aber sichere der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs die Gewährung des Urlaubsentgeltes vorbehaltlos zu.

Das Bundesarbeitsgericht hat ein entsprechendes Vorgehen für rechtlich zulässig erachtet. In seiner Begründung führt das Gericht aus, die Frage, ob im Zeitraum der Freistellung eine Arbeitspflicht bestand, von der der Arbeitnehmer unter Verrechnung von Urlaubsansprüchen freigestellt werden kann, sei allein auf Grundlage der objektiven Rechtslage zu beurteilen.

Der Umstand, dass bis zu einer gerichtlichen Klärung zunächst Ungewissheit über die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung bestehe, stünde einer Freistellung und einer Gewährung des Erholungsurlaubes nicht entgegen.

Entscheidend sei in diesem Zusammenhang allein, dass der Arbeitgeber unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass der Arbeitnehmer für einen näher bezeichneten Zeitraum von seiner Arbeitspflicht befreit ist. Dies sei in der vorliegenden Konstellation der Fall, da die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers entweder bereits infolge der außerordentlichen fristlosen Kündigung, jedenfalls aber durch die hilfsweise Freistellung, für den in Rede stehenden Zeitraum erloschen ist.

Der Umstand, dass den Arbeitnehmer infolge der Kündigung die Obliegenheit trifft, sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos zu melden, Eigenbemühungen für die Aufnahme einer neuen Tätigkeit vorzunehmen und für Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung zu stehen, stehe der hilfsweisen Gewährung von Urlaub ebenfalls nicht entgegen.

Diese Umstände seien dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen. Der Arbeitgeber schulde insofern lediglich die Befreiung von der Arbeit, jedoch keinen Erholungserfolg.

Für Arbeitgeber ergibt sich aus dieser Entscheidung der Vorteil, dass das mit dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung einhergehende Annahmeverzugslohnrisiko durch entsprechende Gestaltung im Einzelfall erheblich reduziert werden kann. Dabei verdient neben der konkreten Formulierung der Freistellung insbesondere die Mitteilung der noch verfügbaren Urlaubstage und der Zusicherung des Urlaubsentgeltes besondere Beachtung.

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