Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

Zur Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung:

 

Im Rahmen der Corona-Krise sahen sich viele Unternehmen dazu gezwungen, in ihren Betrieben Kurzarbeit einzuführen. Neben den sozialrechtlichen Voraussetzungen setzt die Einführung von Kurzarbeit bekanntermaßen eine arbeitsrechtliche Grundlage voraus.

 

Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge sehen regelmäßig Klauseln vor, nach denen der Arbeitgeber beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen und unter Einhaltung einer näher bestimmten Ankündigungsfrist berechtigt ist, einseitig Kurzarbeit anzuordnen.

 

Fehlt es an einer solchen allgemeinen Klausel, kann die Berechtigung zur Einführung von Kurzarbeit durch eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag sichergestellt werden.

 

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat mit seinem Urteil vom 22. Oktober 2020 (11 Ca 2950/20) nunmehr entschieden, dass der Arbeitgeber im Einzelfall berechtigt sein kann, die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen der Kurzarbeit im Wege der außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung gemäß § 626 BGB zu schaffen.

 

In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich die Arbeitnehmerin, die als Personaldisponentin eines Zeitarbeitsunternehmens für die Einsatzplanung in Kindergärten und Kindertagesstätten zuständig ist, geweigert, trotz der Schließung entsprechender Einrichtungen im Frühjahr 2020, eine Zusatzvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zuzustimmen.

 

Aus diesem Grund erklärte der Arbeitgeber am 22. April 2020 eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Inhalt, dass der Arbeitgeber berechtigt sein sollte in der Zeit zwischen dem 18. Mai 2020 und dem 31. Dezember 2020 Kurzarbeit anzuordnen.

 

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung sah die Berechtigung der Einführung von Kurzarbeit – unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist – zum 1. August 2020 vor.

 

Die Arbeitnehmerin hatte das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderung nicht sozial ungerechtfertigt ist und Klage erhoben.

 

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung für wirksam erachtet. Die sozialrechtliche Voraussetzung eines erheblichen Arbeitsausfalls i.S.d. § 96 SGB III stelle zugleich ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne der betriebsbedingten Änderungskündigung dar.

 

Sofern in der Person des betroffenen Arbeitnehmers die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug des Kurzarbeitergeldes vorliegen und der Arbeitgeber die Änderung der Arbeitsbedingungen auf die zur Einführung der Kurzarbeit erforderlichen Regelungen beschränkt, sei die Änderungskündigung wirksam, wenn der Arbeitgeber auch im Übrigen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachte.

 

Vor diesem Hintergrund hob das Gericht hervor, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Änderungskündigung zunächst versucht hatte, eine einvernehmliche Regelung mit der Arbeitnehmerin herbeizuführen.

 

Zudem hatte der Arbeitgeber die Einführung der Kurzarbeit im allgemeinen, sowie die Festlegung des konkreten Stundenumfangs im Rahmen der Kurzarbeit mit einer ausreichenden Ankündigungsfrist von jeweils drei Wochen versehen.

 

Angesichts der besonderen Umstände der Corona-Krise sei ausnahmsweise sogar eine außerordentliche Änderungskündigung zulässig. Angesichts der langen Kündigungsfrist (die Mitarbeiterin war seit 2011 im Unternehmen beschäftigt) sei es für den Arbeitgeber in diesem konkreten Fall praktisch ausgeschlossen, im Wege der ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung sinnvoll zu reagieren.

 

Interessant ist schließlich, dass das Gericht die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten (sehr strengen) Vorgaben zur Durchsetzung von Entgeltkürzungen im Wege der Änderungskündigung bewusst nicht zur Anwendung bringt.

 

Dies erscheint aufgrund des Umstandes, dass im Zuge der Kurzarbeit – anders als im Falle der reinen Lohnkürzung – nicht in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen wird, durchaus sachgerecht.

 

Das Urteil ist für die Beratung und Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in gleicher Weise von Bedeutung. Arbeitgebern bietet die Entscheidung erste Anhaltspunkte, in welchen Fällen die kurzfristige Einführung von Kurzarbeit auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers wirksam angeordnet werden kann.

 

Dabei sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. So wird in zukünftigen Fällen sicherlich die Frage zu diskutieren sein, ob der Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung auch im Falle einer deutlich kürzeren Kündigungsfrist sachgemäße erscheint. Zudem bietet ein entsprechendes Vorgehen natürlich die Gefahr, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot uneingeschränkt ablehnt aus dem Unternehmen ausscheidet.

 

Gerade mit Blick auf die Hoffnung nach einer zügigen weiteren Erholung der Wirtschaft droht dem Arbeitgeber hierdurch möglicherweise der ungewollte Verlust wichtiger Fachkräfte.

 

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